Pressespiegel - Die Abgeordnete im Blick der Medien

 

Deutsche Presse Agentur, 23. Januar 2006, 16.17 Uhr 
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Haushalt/Steuern/Schleswig-Holstein/
(Zusammenfassung 1615 - neu: Bauernverband, FDP, CDU)
Klares Nein zu Mehrwertsteuer-Vorstoß Wiegards auch aus SPD und CDU =

   Kiel (dpa/lno) - Mit seinem Vorstoß zur Abschaffung des ermäßigten
Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel und andere Produkte hat
Schleswig-Holsteins CDU-Finanzminister Rainer Wiegard erheblichen
Wirbel ausgelöst. Widerspruch kam am Montag vom Koalitionspartner
SPD, von der CDU-Landesgruppe im Bundestag, vom Bauernverband und aus
der Opposition.

   Der Vorschlag gehe in die falsche Richtung, erklärten die SPD-
Finanzpolitikerinnen Birgit Herdejürgen und Anna Schlosser-Keichel am
Montag in Kiel. Für Lebensmittel, Bücher und Zeitungen müsse es beim
ermäßigten Satz von sieben Prozent bleiben; andere Dinge könnten
dagegen von der Ermäßigung ausgenommen werden. Eine klare Absage
erhielt Wiegard auch aus der eigenen Partei vom Vorsitzenden der CDU-
Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Börnsen. FDP, Grüne und
Bauernverband lehnten den Vorschlag ebenfalls ab.

   «Es ist auch aus unserer Sicht nicht einzusehen, dass
beispielsweise Rindermägen, Blumenzwiebeln und kursungültige
Banknoten steuerlich begünstigt sind», meinten Herdejürgen und Anna
Schlosser-Keichel. Die Grünen sprachen von einem «sozialpolitischen
Amoklauf» des Finanzministers, die FDP nannte den Vorstoß unsozial
und konzeptionslos, der Bauernverband reagierte mit Unverständnis.

   Wiegard hatte sich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur
(dpa) dafür eingesetzt, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz generell zu
streichen. Statt diesen Bonus gleichmäßig auf alle zu verteilen,
sollte zu Gunsten der tatsächlich Bedürftigen die Sozialrente oder
Sozialhilfe erhöht werden, meinte der CDU-Politiker. 17 Milliarden
Euro Steuervergünstigung würden ohne zielgerichtete Wirkung
gleichmäßig über das Land verteilt. Zudem werde das System durch
Tricks oft unterlaufen.

   Den Ansatz des Ministers, etwas für die Bezieher niedriger
Einkommen zu tun, unterstützten die SPD-Finanzpolitikerinnen
Herdejürgen und Schlosser-Keichel. «In diesem Zusammenhang sollte man
überlegen, einen höheren Anteil an der geplanten Anhebung der
Mehrwertsteuer (von 16 auf 19 Prozent) für die Senkung der
Lohnnebenkosten einzusetzen, wie es auch ursprünglich geplant war.»

   Unter die Überschrift «Finanzminister stochert im
steuerpolitischen Nebel und trifft die Bedürftigen!», stellte FDP-
Fraktionschef Wolfgang Kubicki seine Kritik. «Wir meinen, die ärmeren
Menschen in unserer Gesellschaft haben es schon schwer genug; die
große Koalition sollte ihnen auf keinen Fall noch weitere Lasten
aufbürden!»

   Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Sauter,
unterstützte Wiegards Ansatz: In Deutschland werde immer wieder
versucht, gesellschaftspolitisch gewollte Transfers und Subventionen
über den Umweg des Steuerrechts abzuwickeln. «Das klappt jedoch
leider nur ganz selten und im Fall der ermäßigten Mehrwertsteuer ganz
sicher nicht», sagte Sauter. Mit einheitlichen Steuersätzen ließe
sich bei zugleich höheren Sozialhilfesätzen auch viel bürokratischer
Aufwand einsparen und die Steuergerechtigkeit verbessern.

   Der grüne Finanzexperte Klaus Müller sah in Wiegards Idee einen
Beleg für finanzpolitische Unglaubwürdigkeit der CDU: «Jede
durchschnittliche Familie müsste nach diesem CDU-Vorschlag über 200
Euro mehr Steuern pro Monat zahlen - der sicherste Weg, die
Binnenkonjunktur endgültig abzuwürgen.» Noch vor gut drei Monaten
habe die CDU im Bundestagswahlkampf mit massiven Steuersenkungen um
Stimmen geworben. «Jetzt wird deutlich, dass die Union offensichtlich
die Menschen getäuscht hat.»

   «Der volle Steuersatz auf Lebensmittel würde direkt in die
Portemonnaies der Verbraucher durchschlagen», argumentierte
Bauernverbandspräsident Otto-Dietrich Steensen. Die Kaufentscheidung
bei Lebensmitteln würde noch mehr als bisher allein vom Preis
bestimmt. «Folge wäre, dass der Verbraucher Billiganbietern
ausländischer Nahrungsmittel zweifelhafter Qualität und Herkunft in
die Arme getrieben würde», sagte Steensen.

dpa ws yyno ksa

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