15.07.2009
Anna Schlosser- Keichel, Landtagsrede  

Mehr Rechtssicherheit und Verbesserungen für Inhaftierte 


Landtagsrede vom 15.07.2009 zu TOP 9, Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/2726)

 
Mit der Beratung über ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz stehen wir vor einer Aufgabe, die wir lieber in der Hand des Bundesgesetzgebers gesehen hätten. Aber die Zuständigkeitsfrage ist mit der Föderalismusreform abschließend geregelt und so begrüßen wir, dass es immerhin gelungen ist, 12 der Bundesländer und das Bundesjustizministerium an einen Tisch zu bekommen, um einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten. Damit geht eine jahrzehntelange Diskussion darüber zu Ende, ob und wie die in verschiedenen Gesetzen und Einzelbestimmungen verstreuten Bestimmungen zum Untersuchungshaftvollzug umfassend gesetzlich zu regeln sind.

Hier liegt uns nun der Entwurf für ein in sich geschlossenes und detailliertes Regelwerk zum Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig-Holstein vor, das nicht nur mehr Rechtssicherheit sondern auch eine ganze Reihe von konkreten Verbesserungen für Untersuchungsgefangene bringt.

Natürlich geht es bei der Untersuchungshaft in erster Linie darum, ein geordnetes Strafverfahren zu gewährleisten. Aber über allem steht auch die Unschuldsvermutung. Deshalb gilt unser Anspruch an einen humanen Justizvollzug in besonderem Maße für die Untersuchungshaft. So wird in dem Gesetzentwurf das Recht auf Unterbringung in Einzelhafträumen festgeschrieben, als privater Rückzugs- aber auch als Schutzraum vor möglichen wechselseitigen Übergriffen zwischen den Gefangenen. Ausnahmen nur in begründeten Einzelfällen!

Die Besuchszeiten sollen wesentlich ausgedehnt, der Kontakt der Gefangenen zu ihren Angehörigen nicht nur ermöglicht, sondern darüber hinaus durch die JVA aktiv gefördert werden. Außerdem ist die Anstalt verpflichtet, die Untersuchungsgefangenen bei der Lösung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu unterstützen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Besondere Bedeutung kommt dabei externen Organisationen, Beratungsstellen und Behörden zu. Dies auch, um die Untersuchungshaft möglicherweise zu vermeiden, indem z.B. durch die Vermittlung einer Wohnung Fluchtgefahr als Haftgrund ausgeräumt wird.

Positiv zu nennen ist auch, dass für jugendliche Untersuchungsgefangene eigene Regeln gelten, die den Standards entsprechen, die wir im Jugendstrafvollzugsgesetz festgelegt haben. Jugendliche können auch künftig an den vielfältigen Maßnahmen des regulären Jugendvollzugs teilnehmen.

Auch erwachsene Untersuchungsgefangene sollen verstärkt Zugang zu Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten haben. Das bedeutet allerdings, dass die Trennung von Straf- und Untersuchungsgefangenen – nicht bei der Unterbringung, aber während der Arbeitszeit – erheblich gelockert wird.


Eine wesentliche Verbesserung und eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Untersuchungsgefangene erhalten künftig dasselbe Arbeitsentgelt wie Strafgefangene. Und diejenigen, die keine Beschäftigung haben und deren Sozialhilfeantrag noch nicht beschieden ist, werden Anspruch auf ein Taschengeld haben.

Ein Punkt im Gesetzentwurf, der mir einige Bauchschmerzen bereitet, ist der § 3, in dem die Zuständigkeiten geregelt sind. Danach hat das Gericht anders als heute keine Zuständigkeit mehr für vollzugliche Belange. Heute ordnet der Richter die Maßnahmen an, die eine schwerwiegende  Beschränkung von Persönlichkeitsrechten bedeuten, wie die gemeinsame Unterbringung mit anderen Gefangenen, Beschränkungen beim Postverkehr oder Fesselung.

Nun soll diese Entscheidung auf die JVA verlagert werden. Das mag zu Vereinfachung und Beschleunigung vollzuglicher Entscheidungen und zur Entlastung der Gerichte führen, wie die Begründung zum Gesetz ausführt. Und natürlich kann der Gefangene immer noch im Zweifelsfall gegen eine konkrete Entscheidung gerichtlich vorgehen. Dennoch, mein Unbehagen bleibt angesichts dieser einschneidenden Kompetenzverlagerung.

Ich denke, wir werden uns im Ausschuss mit dieser Frage näher befassen und dazu auch externen Sachverstand hören.

Ich bin gespannt auf die Beratungen und die Anhörungen zu diesem Gesetzentwurf im Ausschuss und danke Ihnen für heute für Ihre Aufmerksamkeit.

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