07.05.2009
Anna Schlosser- Keichel 

Umsetzung des ECOFIN-Beschlusses zur Anwendung reduzierter Mehrwertsteuersätze

DS 16/2558

Hintergrund unserer Debatte ist ein Beschluss des ECOFIN  (eines Organs des Rats der Europäischen Union) der den EU Mitgliedsstaaten nach langer und sehr kontroverser Diskussion Anfang März 2009 die Möglichkeit eröffnet hat, ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf bestimmte „arbeitsintensive Dienstleistungen“ anzuwenden. z.B. auf Dienstleistungen und Reparaturen im Privatbereich, auf Friseurleistungen, auch auf die Reparatur von Fahrrädern und Schuhen. Man fragt sich manchmal wie solche Prioritäten zustande kommen.
Auch Dienstleistungen im Gaststättengewerbe sollen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz abgerechnet werden können, wovon sich die Befürworter sinkende Preise in der Gastronomie, dadurch mehr Gäste und in der Folge insgesamt Umsatzsteigerungen versprechen.


Nun muss man ganz deutlich sagen, dass der Beschluss des ECOFIN den Mitgliedsstaaten zwar diese Möglichkeiten eröffnet, aber keineswegs als Empfehlung zu lesen ist, im Gegenteil. Da heißt es, ich zitiere: „Der Rat erkennt an, dass ermäßigte Mehrwertsteuersätze sich je nach den Umständen positiv oder negativ auf die Wirtschaft auswirken können, so dass ein Mitgliedsstaat immer auch effizientere alternative Lösungen erwägen sollte, bevor er sich für die Anwendung von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen entscheidet.“ Zitat Ende.

In neun Mitgliedsstaaten sind die Ermäßigungen, über die wir heute sprechen, bereits einige Jahre lang erprobt worden. Die EU Kommission hat dem Parlament über die Erfahrungen damit berichtet, dass  „günstige Auswirkungen einer derartigen Ermäßigung auf die Beschäftigungssituation und auf die Schattenwirtschaft nicht eindeutig nachweisbar“ … sind. (2.3.2003)

Und die Bundesregierung stellt im Oktober 2007 in einem umfangreichen Bericht, auch mit Blick auf Erfahrungen der Kommission fest, dass die Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes „nicht immer im vollen Umfang und in keinem Fall auf Dauer an Verbraucher weiter gegeben wird.“

Also, die Hoffnung, dass diese Steuersenkung sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken wird, ist mit einem riesengroßen Fragezeichen zu versehen. Garantiert und ganz sicher wären dagegen Steuerausfälle in Milliardenhöhe.

In der Diskussion wird die Sorge deutlich, es könnten sich  Wettbewerbsnachteile ergeben, wenn Nachbarstaaten für den Gastronomiebereich oder kleine Handwerksbetriebe den Beschluss anwenden und die Mehrwertsteuer senken, Deutschland jedoch nicht. Das Argument hat insbesondere der bayrische Ministerpräsident mit Blick auf die Konkurrenz in Österreich und der Schweiz gebracht.
Ich denke, dass für Schleswig-Holstein diese Gefahr so nicht besteht.

Unser direktes Nachbarland Dänemark ist mit einem Steuersatz von
25 % in diesem Punkt keine Konkurrenz. Dänemark hat zudem bereits angekündigt, den ECOFIN Beschluss nicht anzuwenden.

Ohne Zweifel besteht Handlungsbedarf, das Konglomerat der Umsatzsteuervorschriften insgesamt zu durchforsten.
Der Begriff „Güter des Grundbedarfs“, für die der Gesetzgeber 1968 zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums einen reduzierten Mehrwertsteuersatz bestimmt hat, hat sich im Laufe der vergangenen 40 Jahre verändert. Da sind Positionen überholt und können entfallen, andere müssten nach der heutigen Lebenswirklichkeit aufgenommen werden. Außerdem sollten wir zu einer möglichst weit gehenden Harmonisierung auf EU Ebene kommen.

Wir haben die Landesregierung mit Landtagsbeschluss vom Dezember 2005 aufgefordert, diese grundlegende Diskussion auf Bundesebene zu führen. In diesem Gesamtkontext mag man dann auch diese „besonders arbeitsintensiven Dienstleistungen“ betrachten und ggf. neu bewerten.

Heute aber punktuelle Änderungen auf den Weg zu bringen und damit den unübersichtlichen Flickenteppich der Ausnahmetatbestände im Umsatzsteuerrecht weiter zu vergrößern,  das lehnen wir ab. Wir sind aber gern bereit, der Ausschussüberweisung zuzustimmen, wenn die Antragsteller dies wünschen.

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