11.12.2008
Anna Schlosser-Keichel , Landtagsrede

Vorbeugung und schnelle Reaktion ja, Strafverschärfung nein!

Wir haben in unserem Antrag nicht beschrieben, was wir nicht wollen – da gibt es in der Tat Unterschiede in der Sicht der Koalitionsparteien. Wir beschreiben, was wir gemeinsam wollen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die Probleme haben und uns deshalb Probleme machen, und mit Jugendlichen, die schließlich mit dem Gesetz in Konflikt kommen.

Wir benennen, was in Schleswig-Holstein bereits gute Praxis, aber zum Teil durchaus noch ausbaufähig ist. Sie finden in dieser Beschlussvorlage exakt auch die Punkte, die die Oppositionsparteien im Ursprungsantrag vorschlagen als Maßnahmen zur Vorbeugung und als Reaktion auf Jugendgewaltkriminalität. Wir setzen wie Sie zu allererst auf Familienhilfen, Schulsozialarbeit und die Integration von Immigranten – denn wir wissen, dass Jugendliche, die uns heute als „Intensivtäter“ begegnen, oft schon in sehr jungen Jahren durch Regelverstöße aufgefallen sind. 

Wir haben in Schleswig-Holstein ein außerordentlich differenziertes Angebot an Jugendhilfeeinrichtungen. Es gibt inzwischen gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, und Jugendhilfe. Das war lange Zeit alles andere als selbstverständlich. Die Sachbearbeitung in einer Hand und die Kooperation der verschiedenen Dienste und Dienststellen bietet die Voraussetzung, dass problematische Jugendliche nicht aus dem Blickfeld geraten und mit den Folgen ihrer Tat unmittelbar und schnell konfrontiert werden. Und es ist gut, dass nun auch im Bereich Lübeck das „Vorrangige Jugendverfahren“ Anwendung findet. Denn wir wissen, dass die schnelle und konsequente Reaktion das A & O im Umgang mit straffälligen Jugendlichen ist. Das ist unser Ansatz auch für die Zukunft.

Mit unserem Jugendstrafvollzuggesetz haben wir den Rahmen für die Resozialisierung von jugendlichen Straftätern geschaffen, für einen Vollzug, in dem Ausbildung, Sport, der partnerschaftliche Umgang miteinander in der Gruppe und, falls nötig, Therapieangebote im Mittelpunkt stehen. Der Haushalt 2009/2010 beweist, dass wir ernst machen mit der Umsetzung dieses Gesetzes, indem wir ganz erhebliche Mittel für die personellen und investiven Erfordernisse zur Verfügung stellen.

Wir haben also in der Tat weitreichende Möglichkeiten, der Jugendkriminalität zu begegnen. Sie bleibt dennoch eine tägliche Herausforderung für Jugendhilfe und Justiz, Polizei und Schule. Die Veränderungen der letzten Jahre zeigen, dass alle Beteiligten offen sind für mehr Kooperation und neue Entwicklungen. Ich denke konkret an den Vortrag des Vertreters eines Jugendhilfeträgers im Rahmen der Diskussion um das Jugendstrafvollzugsgesetzes, der im Ausschuss seine Vorstellungen über neue Formen der Jugendhilfe und auch des Vollzugs für jugendliche Gewaltstraftäter eingebracht hat. Diese Diskussionen werden wir gerne führen.

Was wir nicht brauchen und nicht wollen ist eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. Auch wenn Sie diese Formulierung in unserem gemeinsamen Antrag vermissen, ich wiederhole für die SPD Fraktion gerne, was ich bereits bei der 1. Lesung hier im Plenum und bei anderen Gelegenheiten gesagt habe. Ich befinde mich damit in bester Gesellschaft. In der Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses haben die Fachleute aus Justizvollzug, Richter- und Anwaltschaft, aus Jugendhilfe und Wissenschaft in beeindruckender Einigkeit einer Strafverschärfung eine Absage erteilt.

Ich fände es deshalb fatal, wenn über die Diskussion um unser Abstimmungsverhalten oder die Definition von „ausreichend“ und „weitreichend“ der Eindruck oder – noch schlimmer – das Signal entstehen würde, im Schleswig-Holsteinischen Landtag gebe es eine Mehrheit für die Verschärfung des Jugendstrafrechts. Das ist nicht der Fall.

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