12.12.2007

Landtagsrede: Ermäßigten Mehrwertsteuersatz erhalten und weiterentwickeln (Drucksache 16/1742)

Anna Schlosser-Keichel: 

Wir brauchen auch künftig Vergünstigungen  

Seit 1983 beträgt der ermäßigte Steuersatz – ursprünglich zur „steuerlichen Schonung des soziokulturellen Existenzminimums“ für Güter des Grundbedarfs eingeführt – unverändert 7 %. Allerdings hat sich die Liste der begünstigten Güter und Leistungen im Laufe der Jahre zu einem mit Logik nicht mehr nachvollziehbaren Konglomerat entwickelt. Zitate aus dem Umsatzsteuergesetz, wonach Hundefutter, Blumenzwiebeln und die Fahrt mit dem Skilift steuerbegünstigt sind, die Babywindel aber ein voll zu versteuerndes Luxusgut, machen sich immer gut in den Glossen der Tageszeitungen.

Es muss da eine Bereinigung geben, darin stimme ich dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu. Wir haben das aber schon wiederholt festgestellt. Ich verweise auf die Drucksache 16/395 vom November 2005, mit der dieser Landtag die Überprüfung der Ermäßigungstatbestände im Umsatzsteuergesetz und ihrer Wirksamkeit fordert. Ich bin mit den GRÜNEN auch einer Meinung, grundsätzlich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz beizubehalten. Ich widerspreche da Herrn Finanzminister Wiegard, der ja über eine andere Lösung nachdenkt.

Ganz abgesehen davon, dass auf Bundesebene derzeit kein Raum ist für diese Überlegungen – im Berliner Koalitionsvertrag ist ganz klar vereinbart, dass für diese Legislaturperiode der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % unverändert bleibt: Ich bin überzeugt davon, dass wir auch künftig eine Vergünstigung z.B. für Grundlebensmittel brauchen.

Dabei geht es mir in erster Linie nicht mal um die Ärmsten der Armen. Für Sozialhilfeempfänger, für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II könnte man in der Tat den Wegfall der Steuervergünstigung durch die Erhöhung der Regelsätze zielgerichtet ausgleichen. Ich denke an Rentner, die (dazu gibt es Erhebungen) 80 % ihrer Einkünfte für Güter ausgeben, die der 7 %igen Mehrwertsteuer unterliegen.

Ich denke an die Menschen mit sehr geringen Einkommen, die heute gerade so eben von ihrer Arbeit leben können. Die könnten den Wegfall der Steuervergünstigung nicht ausgleichen, es sei denn, wir erweitern für sie den Kreis derer, die ergänzende Hilfen erhalten. Das kann doch keiner ernsthaft anstreben. Wir wollen doch immer mehr Menschen so stellen, (Stichwort Mindestlohn) dass sie eben nicht auf ergänzende Hilfen des Staates angewiesen sind.

Sehr kritisch sehe ich das Vorhaben, die Warenliste, für die der ermäßigte Steuersatz künftig gelten soll, zu ergänzen. Ich will nicht bestreiten, dass sich seit dem Jahr 1968 (da wurde die Liste erstmals aufgestellt) der Begriff der „Güter des Grundbedarfs“ verändert hat und das eine oder andere Lebensmittel oder meinetwegen die immer wieder zitierte Babywindel neu aufgenommen werden könnte. Im Prinzip bin ich aber der Meinung, dass wir keinerlei neue Ausnahmetatbestände schaffen sollten.

Wir haben uns in diesem Haus ja intensiv mit möglichen strukturellen Änderungen befasst, z.B. ob eine Ermäßigung für Medikamente sinnvoll wäre. Wir sind damals zu der Auffassung gekommen, dass es mehr als zweifelhaft ist, ob die Entlastung dort ankommt, wo wir sie haben wollen – bei den Beitragszahlern.

Auf Bundesebene wurde in diesem Frühjahr diskutiert, ob für so genannte „arbeitsintensive Dienstleistungen“, also für bestimmte Handwerkerleistungen künftig der ermäßigte Steuersatz gelten soll. Auch dort hat man mit Blick auf EU-weite Experimente erkannt, dass die Weitergabe der steuerlichen Ermäßigung an die Verbraucher von staatlicher Seite nicht sichergestellt werden kann. Und man ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die Ziele, die man im Auge hatte – Schaffung von Arbeitsplätzen, die Bekämpfung der Schwarzarbeit – nicht durch eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer, sondern besser mit anderen Instrumentarien zu fördern ist.

Deshalb kann ich auch dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen, bei der Überarbeitung der Warenliste soziale, kulturelle und ökologische Aspekte zu Grunde zu legen. In diesem Raster kann man mit etwas Phantasie ja nun wirklich alle s unterbringen. Wir sollten aber im Gegenteil endlich dazu kommen, nicht alle wünschenswerten politischen Ziele und Vorhaben über das Steuerrecht auf den Weg zu bringen zu wollen. Der viel zitierten und von alle n gewünschten Steuervereinfachung dient so ein Vorgehen auf jeden Fall nicht!

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