12.7.2007 |
Landtagsrede zu TOP 13: Jugendstrafvollzugsgesetz |
Anna Schlosser-Keichel:Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein Jugendstrafvollzugsgesetz – (JStVollzG) |
Wir
erfüllen mit der Arbeit an einem Schleswig-Holsteinischen
Jugendstrafvollzugsgesetz eine eher ungeliebte Aufgabe. Zwar haben wir
– wie schließlich im Mai 2006 auch das Bundesverfassungsgericht -
immer gefordert, dass der Jugendstrafvollzug gesetzlich geregelt werden
muss. Aber
dieser Landtag hat auch in seltener Einmütigkeit deutlich gemacht, dass
dies in der Zuständigkeit des Bundes geschehen soll. Das ist nun anders
gekommen und es lohnt nicht, über verschüttete Milch zu klagen. Es
ist immerhin gelungen, der befürchteten „Kleinstaaterei“ im
Strafvollzug entgegen zu wirken: Schleswig-Holstein hat zusammen mit
neun weiteren Bundesländern Eckpunkte entwickelt, die die Grundlage für
die einzelnen, möglichst übereinstimmenden Landesgesetze bilden
sollen. Das
Bundesverfassungsgericht gibt sehr konkret das Ziel und die
Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs vor. Es macht deutlich, dass auch
und gerade im Strafvollzug den Besonderheiten der Jugendphase und der
meist noch starken Einbindung und Abhängigkeit Jugendlicher von ihrem
Umfeld Rechnung getragen werden muss.
Das Urteil bestätigt über weite Strecken das in Schleswig-Holstein
bereits praktizierte und bewährte Prinzip eines auf Erziehung, Bildung,
auf Resozialisierung gerichteten Behandlungsvollzugs. In
vielen Punkten müssen wir also mit dem vorliegenden Gesetzentwurf keine
neuen Wege beschreiben. Da sind wir im Vergleich zu anderen Bundesländern
richtig „gut davor“. Dass
das Gesetz die Gefangenen zur Mitwirkung und insbesondere zur Teilnahme
an Freizeitangeboten verpflichtet (und natürlich auch die Anstalt,
geeignete Angebote vorzuhalten) finde ich gut. Ich will gar nicht den
alten Spruch vom „Müßiggang und aller Laster Anfang“ bemühen,
aber ganz falsch ist der sicher nicht. Die Freizeit sinnvoll zu
gestalten, das kann man lernen und viele Jugendliche, die zu Hause noch
nicht mal gemeinsame Mahlzeiten geschweige denn andere gemeinsame
Aktivitäten erlebt haben, müssen das wohl auch erst lernen. In
anderen Bereichen besteht auch in unserem Bundesland Handlungsbedarf,
wenn wir den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen
wollen - etwa nach verbesserten Besuchsmöglichkeiten oder nach der
Einrichtung einer Sozialtherapieabteilung. Das wird zusätzliches
Personal kosten. Aber wir haben uns in der Debatte der letzten
Landtagssitzung ja alle in die Hand versprochen, dass wir bereit sind,
die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen zu tragen. Was
übrigens den Standort der neu einzurichtenden Therapieabteilung angeht,
will ich als Wahlkreisabgeordnet einer Nachbargemeinde, in der sich
Widerstand dagegen formiert, ganz deutlich sagen: Sie wäre in Schleswig
bestens positioniert. Die Jugendanstalt Schleswig hat sich zu einer bundesweit beachteten Vorzeigeeinrichtung entwickelt. Eine Therapieabteilung wird sie und die Arbeit mit den jungen Strafgefangenen dort weiter aufwerten. Eine Belastung für die Nachbarschaft kann ich beim besten Willen nicht erkennen, da sich das Ganze innerhalb der bereits existierenden, sicheren Mauer abspielen soll. Hervorheben
will ich noch die im Gesetzentwurf vorgesehene enge und verbindliche
Zusammenarbeit der Anstalt mit den Eltern und mit außervollzuglichen
öffentlichen und nichtöffentlichen Einrichtungen und Organisationen. Das
bedeutet die Verpflichtung des Vollzugs zur Offenheit. Das ist
aber auch eine Aufforderung an Behörden und an die Bürgergesellschaft,
die jungen Gefangenen zu begleiten und ihnen nach der Haft beim
schwierigen Übergang in den Alltag zu helfen. Ehrenamtlichen
Mitarbeitern kommt dabei eine besondere Rolle zu, nicht nur als „Gesprächspartner
zur Bewältigung persönlicher Probleme“ wie es im Gesetz heißt. Der
Stellenwert ihrer Arbeit wird dadurch deutlich, dass sie bei
grundlegenden Aufgaben wie der Fortschreibung der Vollzugspläne mit
einzubeziehen sind. Viele
„Externe“ sind ja heute schon in der Jugendanstalt engagiert und mit
wichtigen Aufgaben betraut. Der
„Entwurf der 10“ und der daraus entstandene Gesetzentwurf der
Landesregierung sind in der Fachöffentlichkeit seit geraumer Zeit in
der Diskussion. Die Reaktion ist durchwegs grundsätzlich zustimmend.
Neben kleineren Änderungsvorschlägen vor allem praktischer Art ziehen
insbesondere zwei Punkte etwas deutlichere Kritik auf sich: die
Formulierung des Vollzugsziels und die Frage geschlossener oder offener
Vollzug. Ich will dazu noch kurz Stellung nehmen. Das
Bundesverfassungsgericht betont, dass das Vollzugsziel darauf gerichtet
sein muss, dem Inhaftierten künftig ein straffreies Leben in Freiheit
zu ermöglichen, also auf Resozialisierung. Dies nennt auch der
Gesetzentwurf. Darüber hinaus weist der Gesetzentwurf dem Vollzug aber
auch die Aufgabe zu, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.
Auf die Benennung dieser Aufgabe, richtet sich die Kritik.
In
den USA – so habe ich kürzlich gelesen – sind Gefängnisse ein blühender
Wirtschaftszweig mit hohem Wachstumspotential. Es herrscht Wettbewerb um
den härtesten und billigsten Strafvollzug. Das belegt auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP, für die ich mich bei Minister Döring und vor allem bei seinen fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke. Grundsätzlich wird in dem vorliegenden Bericht die Leitlinie deutlich, an der sich die Politik in Schleswig-Holstein sein vielen Jahren orientiert: dass die soziale Integration von Straftätern im Vordergrund stehen muss und dass dies gleichzeitig der beste Opferschutz ist. Der
Schwerpunkt dieser Integrationsarbeit muss in den
Justizvollzugsanstalten geleistet werden. Wir haben deshalb große
Anstrengungen unternommen (und tun es noch) dafür möglichst optimale
Rahmenbedingungen zu schaffen. Der
vorliegende Bericht macht deutlich, welch großen Belastungen die
Bediensteten im Justizvollzug ausgesetzt sind. 6-Tage-Woche,
Schichtdienst, 42 % der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leisteten im
letzten Jahr Überstunden. Fast 47 %
von ihnen warten auf ihre Beförderung. Dazu kommen die Beeinträchtigungen
durch die seit Jahren laufenden und andauernden Bauarbeiten. Wir
wissen aus unseren Besuchen in den JVA, dass die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter dort dennoch ihre Arbeit engagiert und mit großer
Motivation und Zuverlässigkeit leisten. Gerade mal fünf sind seit 2002
freiwillig aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden. Zugegeben,
der Tageshaftkostensatz ist mit 90,62 € im Vergleich zum
Bundesdurchschnitt von 83,54 € (Jahr 2005) relativ hoch. Das liegt
nicht zuletzt an der erfreulich geringen Inhaftierungsquote und den
folglich relativ kleinen Anstalten in Schleswig-Holstein. (Die Quote
liegt bei 65 Gefangenen pro 100.000 Einwohner, der Bundesdurchschnitt
bei 100). Die Kosten entstehen
aber auch durch eine große und differenzierte Palette von schulischen
und beruflichen Bildungsmaßnahmen sowie Therapie- und
Beratungsangeboten, zu denen auch die haupt- und ehrenamtliche
Mitarbeiter freier Träger und nicht zuletzt die Berufsschulen einen
wichtigen Beitrag leisten. 3,88
Mio € allein für Resozialisierungsmaßnahmen (das sind ohne Berücksichtigung
der Personalaufwendungen 21,7 % der Gesamtaufwendungen für den
Justizvollzug), das ist gut angelegtes Geld. Denn ein nachgeholter
Hauptschulabschluss oder ein in der Haft erworbener Gesellen- oder
Facharbeiterbrief, auch die Schuldnerberatung, das
ist für viele Gefangene die Grundvorsaussetzung, nach
der Verbüßung der Gefängnisstrafe wirklich neu starten zu können. Gerade
im Jugendvollzug sind die Bildungs-,
aber auch die Erziehungsangebote außerordentlich umfangreich und
differenziert. Dies ist auch notwendig, will man den Teufelskreis von Rückfällen
vermeiden. Viele der jugendlichen Straftäter kommen nicht nur ohne
Schulbildung und somit ohne Berufsaussichten sondern auch lebensuntüchtig
und emotional verwahrlost im
Strafvollzug an. Dass sich der Anteil der Gewaltdelikte bei den
verurteilten jugendlichen Straftätern
innerhalb von zwei Jahren von 19.1 % auf 35,9 % erhöht hat und
dass eine stetige Verlängerung der durchschnittlichen Straflänge zu
beobachten ist, spricht eine deutliche Sprache.
Sie
kennen vielleicht den viel zitierten Spruch von Leo Tolstoi: „Um einen
Staat zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse von innen ansehen.“ |