16.12.2005

Anna Schlosser-Keichel

Landtagsrede 

Bundeseinheitliche Regelung des Strafvollzugs   

Schon in der Vergangenheit waren Überlegungen, die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder zu verlagern, von Kritik begleitet. Auch Schleswig-Holstein hat sich explizit gegen dieses Vorhaben ausgesprochen.

Umso bedauerlicher ist es, dass es nun laut Koalitionsvertrag auf der Agenda der neuen Bundesregierung steht.

Nur wenige Wochen nach Bekannt werden der Koalitionsvereinbarung liegt eine große Zahl von Stellungnahmen und Appellen von renommierten Personen und Organisationen aus Praxis und Wissenschaft, von Berufsverbänden, Richtern, Anwälten usw. vor. Unisono und sehr eindrucksvoll warnen sie vor diesem Schritt. So unterschiedlich ihre Anliegen und ihre Bewertungen einzelner Regelungen des Strafvollzugs sind, alle vertreten sie die Auffassung, dass der Strafvollzug in der Bundesrepublik Deutschland einheitlichen gesetzlichen Standards genügen muss.

Immer wieder wird in den Stellungnahmen auf die Europäisierung auch im Bereich des Strafvollzugs verwiesen, mein Fraktionsvorsitzender ist in seiner Haushaltsrede bereits darauf eingegangen.  Parallel dazu in Deutschland nun in Kleinstaaterei zurückzufallen, das ist ja wohl eher ein Schildbürgerstreich.

Schon heute ist es den Bundesländern möglich,  eigene Schwerpunkte im Strafvollzug zu setzten. Man denke an die Bestrebungen zur Privatisierung in Hessen oder an die positive Ausrichtung in Schleswig-Holstein auf einen behandlungsorientierten Vollzug. Es gibt leider schon heute erhebliche Ungleichheiten in den Bundesländern was z.B. die Bereiche Resozialisierung und Entlassungsvorbereitung angeht, also den offenen Vollzug und Vollzugslockerungen.

Eigentlich müsste man bestrebt sein, zu mehr Einheitlichkeit zu kommen, denn es darf ja wohl keine Rolle spielen, in welchem Bundesland jemand seine Strafe verbüßt. Aber das Gegenteil wird bei einer Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder der Fall sein.

Strafvollzug ist kein Gewinnerthema in der Politik. Anders als für viele andere Politikbereiche gibt es keine starke Lobby. Umso nötiger ist es, dass wichtige Weichenstellungen über Standards im Strafvollzug aber auch über Grundsätzliches – z.B. ob der Resozialisierungsgrundsatz weiter Vorrang hat vor einem Vergeltungsvollzug - nicht vor dem Hintergrund wechselnder landespolitischer Orientierung stattfinden - oder gar unter dem Eindruck leerer Landeskassen. 

Um es etwas flott auszudrücken: ich glaube es ist ganz gut, wenn die Diskussion und die Entscheidung über Grundsätze des Strafvollzugs möglichst weit entfernt von den Stammtischen geführt wird. Der Bundestag in Berlin ist ein guter Ort dafür und soll es bleiben.

 

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen von FDP, GRÜNEN,  und SSW für ihre Initiative, dies hier heute im Landtag zu thematisieren.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. Insbesondere war uns dabei wichtig, auch die Untersuchungshaft zu benennen. Auch dafür ist ja im Koalitionsvertrag ausdrücklich eine Zuständigkeitsverlagerung vorgesehen.

Ich weiß, dass es gerade nach der Konferenz der Ministerpräsidenten am vergangenen Mittwoch schwierig sein wird, aus dem Gesamtpaket noch Teile herauszunehmen. Ich denke, gerade deshalb muss das Parlament der Landesregierung für die weiteren Beratungen den Rücken stärken.

Und wir wollen mit dem Beschluss heute an die Adresse der Verantwortlichen in Berlin deutlich machen, dass diese Zuständigkeitsänderung nicht nur dem übereinstimmenden Urteil der Fachleute, sondern auch jedem gesunden Menschenverstand widerspricht und dass wir sie für falsch und für fatal halten.

 

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