15-12-2000

Familienpreis - Landtagsrede 

Familie ist "in". Keine soziale Institution hat in den letzten 20 Jahren einen so großen Zuwachs an Zustimmung erfahren wie die Familie. Für 80 bis 90 % der jungen Menschen ist Familie nach einer Umfrage des Stern "wichtig bis sehr wichtig".

Allen Unkenrufen zum Trotz sieht deshalb auch die Jugend - Jungs ebenso wie Mädchen - ihre Zukunft in einer eigenen Familie. Sie verbinden damit, wie auch frühere Generationen, Liebe, Zuverlässigkeit, Vertrauen und natürlich auch Kinder.

Trotzdem hat das Familienbild unserer Kinder und Enkelkinder nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem Klischee der "klassischen Familie" der letzten 50 Jahre zu tun. Der Schritt vor den Altar ist heute keineswegs mehr Voraussetzung für die Gründung einer Familie, immer mehr Kinder werden nicht ehelich geboren.

Und - wohl die gewichtigste Veränderung - die jungen Leute gehen ganz selbstverständlich von der Möglichkeit für beide - Mann und Frau - aus, Elternschaft und Beruf, ja beruflichen Erfolg, zu verbinden, ohne die Bedürfnisse der Kinder dem Erwerbsleben zu opfern.

Das ist ein hoher Anspruch an sich selbst, aber auch und gerade an uns PolitikerInnen, die wir die Voraussetzungen dafür schaffen sollen.

Und das ist es, was von uns erwartet wird. Dass wir Bedingungen schaffen, die den Wunsch der jungen Menschen, Familien zu gründen und in Familien zu leben, nicht erschweren, sondern er-leichtern. Was sie nicht brauchen, ist ein symbolischer Preis als Anerkennung für die frühzeitige Vermittlung eines ethischen Leitbildes an die künftigen Generationen.

Im Januar dieses Jahres hat der Landtag der 14. Wahlperiode den Familienbericht der Landesregierung diskutiert und festgestellt, dass es eine große Zahl und eine bemerkenswerte Vielfalt von Maßnahmen gibt, die Familien fördern, die Kinder fördern und die Erwachsenen, die sie betreuen und erziehen.

Wir sind ein gutes Stück weggekommen, das zeigt dieser Bericht, von der "strukturellen Rücksichtslosigkeit" von der im 5. Familienbericht der Bundesregierung noch die Rede ist.

Wir erkennen an, dass Familie heute so vielfältig ist wie die Menschen, die sich zusammentun, und wir berücksichtigen, dass wir deshalb auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen müssen.

Wir beteiligen in zunehmendem Umfang Kinder und Eltern an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen, denn sie sind die Experten in Sachen Familienpolitik. Übrigens auch in Sachen Wohnungspolitik, Verkehrspolitik usw.

Wir geben denen Hilfestellung, die bei der Bewältigung ihrer Probleme alleine nicht zurechtkommen. Wer Familie betrachtet, darf nicht nur durch die rosa Brille sehen. Ich denke, der eine oder die andere erinnert sich an den Vortrag von Prof. Heitmeyer kürzlich zum Thema Rechtsextremismus, der deutlich gemacht hat, dass die erste und beeindruckendste Begegnung mit Gewalt oft in der Familie stattfindet.

Es ist bei der Diskussion über den Familienbericht auch festgestellt worden, dass Gutes immer noch verbessert werden kann. Diesem Anspruch stellen wir uns. Nicht nur in der Sozialpolitik, sondern in allen Politikbereichen.

Familien brauchen
· noch mehr Betreuungsmöglichkeiten, insbesondere im Krippen- und Hortbereich
· reelle Karrierechancen auch für Teilzeitarbeitskräfte - weibliche und männliche!
· kinderfreundliche Wohnungs- und Wohnumfeldverhältnisse
· weitere finanzielle Entlastung (Bund)
um nur wenige Punkte zu nennen

Sonntagsreden brauchen sie nicht!

Einen "Familienpreis", der noch nicht einmal nennenswert dotiert ist - einen entsprechenden Haushaltsantrag habe ich jedenfalls nicht gesehen - brauchen sie nicht. Das ist zu viel der reinen Symbolik. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen.

zurück zur Übersicht der Pressemitteilungen