29-09-2000

Wegweisungsrecht bei häuslicher Gewalt - Landtagsrede -

Als es in meiner Fraktion bei der Arbeitsverteilung für diese Landtagssitzung um den Antrag "Wegweisungsrecht bei häuslicher Gewalt" ging, hieß es ohne Zögern: "Frauenthema!".

Aber, Kolleginnen und Kollegen, das stimmt so nicht!

Gewalt gegen Frauen und Kinder, darum handelt es sich ja in der Regel, wenn wir über "häusliche Gewalt" reden, ist kein Frauenthema, ist kein Frauenproblem!

Es ist ein Problem unserer Gesellschaft und unseres Rechtsstaats. Denn nicht nur Nachbarn sehen und hören weg, wenn es nebenan wieder mal kracht. Auch staatliche Institutionen haben in der Vergangenheit häusliche Gewalt nicht nur nicht missbilligt, sondern geradezu toleriert.

Schon die Bezeichnung "häusliche" Gewalt ist an sich eine Irreführung, eine Verniedlichung, die verharmlost, was sich dahinter verbirgt, nämlich:

Körperverletzung, Psychoterror, Vergewaltigung, Folter, Freiheitsberaubung, Totschlag - Mit einem Wort: Menschenrechtsverletzungen!

Wir sprechen also nicht über Kavaliersdelikte, und was sich gewalttätig in den eigenen vier Wänden abspielt, ist keine Privatangelegenheit.

Viele Frauen vertrauen nicht auf ein staatliches Eingreifen zu ihren Gunsten - oder sie haben dieses Vertrauen verloren. Sie flüchten.

Im Jahr 1999 haben rund 2500 Frauen und Kinder in den Schleswig-Holsteinischen Frauenhäusern Schutz gesucht, und zwar in der Regel erst, nachdem sie wiederholt geschlagen worden waren.

Bei einer Umfrage haben 91 von 98 Frauen, die Zuflucht im Frauenhaus gesucht hatten, angegeben, dass sie wiederholt Gewalt durch ihre Lebensgefährten ausgesetzt waren. Für nur sieben Frauen war es das erstemal, dass sie verprügelt worden waren.

Das ist untragbar. Nicht die Opfer sollen fliehen müssen, der Schläger muss gehen.

Deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, trotz einiger Spiegelstrichdiskussionen noch gestern Nachmittag, diesen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu formulieren und ein Stück in der Sache weiterzukommen.

Die Bundesregierung hat einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg gebracht, und wir sollen und wollen unseren Landesanteil daran erbringen. Ein Punkt, der in unsere Zuständigkeit fällt, ist es durchzusetzen, dass Gewalttäter die gemeinsame Wohnung verlassen müssen.

Dazu ist es nötig, die schon bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten noch konsequenter auszuschöpfen - was auch bedeutet, die Beteiligten bei Polizei und Justiz für diese Probleme zu sensibilisieren und entsprechende Fortbildung anzubieten. Denn in der Tat erfordert es ja oft einen Spagat, abzuwägen etwa zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und Eingriffen zugunsten von bedrängten Frauen und Kindern.

Wichtig und hilfreich ist in diesem Zusammenhang die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Einrichtungen, die Erfahrungen in der Beratung von betroffenen Frauen haben. Und wichtig ist auch die Arbeit mit den Tätern, damit der Teufelskreis der Gewalt nicht immer wieder neu beginnt.

Diese Arbeit, die Zusammenarbeit der Institutionen, ist bereits erprobt im Konzept KIK, das nach einer Modellphase in Kiel inzwischen auf das Land ausgedehnt worden ist. Ich bin überzeugt, dass bei KIK auch die Aufgabe gut angesiedelt ist, mit dem bestehenden Instrument des Platzverweises effektiver umzugehen bzw. aufzuzeigen, wo Handlungsbedarf besteht.

Sichergestellt werden muss jedenfalls, ggf. durch neue und eindeutige rechtliche Regelungen, dass dieser Platzverweis so ausreichend terminiert wird, dass es den Frauen möglich ist, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.



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