16-05-2000

Hilfekonzepte für Eltern im Umgang mit "Schreikindern" - Landtagsrede 

Das Abendblatt hat kürzlich die Frage gestellt: "Was sind das für Eltern, die ihre Kinder misshandeln?" Die Antwort, die Elisabeth Trube-Becker, ein Gründungsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes in dem dann folgenden Interview gegeben hat, lautet so:

"Misshandlung und Gewalt gegen Kinder kommt in allen Kreisen vor. Ohne Rücksicht auf Nationalität, Volksgruppe, Religion. Fromme Leute misshandeln ihre Kinder genauso wie andere. Ärzte genauso wie Hilfsarbeiter, Mutter und Vater sind oft in gleicher Weise beteiligt." und "Die Dunkelziffer ist sehr hoch", heißt es weiter in dem Interview. Oft sind besonders junge Eltern betroffen.

Die Ursache für Gewalt gegen Kinder liegt oft in der Unsicherheit, auch in der Überforderung der Eltern, die eigentlich nur das Beste für ihr Kind wollen, und das mit aller Macht.

Die sogenannten "Schreikinder" fordern ihre Eltern in ihren ersten Lebensmonaten, oft im ganzen ersten Lebensjahr, in der Tat in einem unglaublichen Maß.

Es gibt für keine Ruhephasen mehr, denn diese Kinder schlafen üblicherweise nicht länger als eine halbe Stunde am Stück. Das bedeutet für die Mutter, nicht mehr in Ruhe essen, duschen, geschweige denn schlafen zu können. Das bedeutet - zusätzlich zu den Umstellungen, die ein Neugeborenes ohnehin fordert - Dauerstress und Überforderung für die ganze Familie.

Wie nun damit umgehen?

Ich glaube, wir brauchen so etwas wie eine "Elternschule", die schon Jugendliche auch auf Konflikte vorbereitet und darauf, dass Kinder eben nicht immer mit den süßen Babys aus der Hollywoodkomödie zu vergleichen sind.

Konkrete Ansätze dazu gibt es. Gestern hat z.B. in Schleswig-Flensburg eine Fortbildungsveranstaltung des Kreisjugendamtes für Mitarbeiter aus Schule und Jugendarbeit stattgefunden unter dem Motto: "Elternschaft lernen". Ich denke, das ist der richtige Weg und Schule und Jugendarbeit sind der richtige Ort für so eine "Elternschule".

Natürlich brauchen wir Hilfestellungen für den Konfliktfall. Auch diese Angebote gibt es. Ich würde mir wünschen, dass es darüber nicht nur einen Bericht der Ministerin gibt, sondern dass Kinderschutzbund und Familienberatungsstellen, Selbsthilfegruppen, Ärzte vor dem Sozialausschuss Gelegenheit bekommen, darzustellen, dass und wo es diese Hilfen gibt.

Eltern müssen wissen, dass sie Anspruch auf Hilfe haben, wenn sie in Konfliktsituationen sind, aber sie müssen auch wissen, dass Gewalt nicht akzeptabel ist.

Grundsätzlich muss in alle Köpfe, dass Gewalt gegen Kinder, Gewalt in der Erziehung, keinen Platz mehr hat in unserer Gesellschaft. Und Gewalt, das sind eben nicht nur schwere Prügel, das ist auch die Ohrfeige, "die angeblich noch keinem geschadet hat", das ist auch Schubsen und Stoßen und Kneifen. Und Gewalt ist auch vermeintlich harmloses Schütteln, das für Säuglinge schwere gesundheitliche Schäden und sogar tödliche Folgen haben kann.

Gewalt in der Erziehung darf einfach nicht länger gesellschaftsfähig sein. Deshalb hoffe ich, dass sich eine so breite Mehrheit wie heute finden wird, wenn es demnächst in Berlin darum geht, einen Gesetzentwurf von SPD/Grünen zu verabschieden, der Gewalt in der Erziehung ächtet und übrigens gleichzeitig Hilfen für die Eltern anbietet - es ist dies keinesfalls ein Versuch, Väter und Mütter zu kriminalisieren.

Es reicht nicht aus, empört aufzuschreien und nach Hilfekonzepten zu rufen, wenn eine Schlagzeile wieder einmal von einem Totschlag an einem Kind berichtet. Wir müssen die Grundeinstellung Kindern gegenüber ändern und ich bitte Sie, dazu beizutragen.


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